Anlässlich der Europäischen Mobilitätswoche (EMW) hatten wir im September 2021 eine Aufsehen erregende Gehzeugparade veranstaltet. Mehr als 100 Gehzeuge wurden an diesem Tag zusammen mit Leipzigerinnen und Leipzigern gebaut, kreativ dekoriert und anschließend in einer bunten Parade rund 1,5 Kilometer über den Ring und durch die Innenstadt getragen. Sie war DIE Hauptattraktion des autofreien Sonntags.
Heute wurden wir vom Umweltbundesamt für diese Aktion mit dem 1. Preis in der Kategorie „Beste MOBILITY ACTION“ geehrt. Damit setzen wir uns unter 77 eingereichten Vorschlägen durch.
Warum es Aktionen wie die Gehzeugparade braucht
Leipzig erstickt an Autoverkehr und Falschparkern. Jahrzehntelang wurde die Stadt für Autos optimiert. Der Promenadenring, auf dem die Gehzeugparade 2021 stattfand, verläuft in manchen Abschnitten neunspurig – eine Autobahn mitten im Herzen Leipzigs. Vor 100 Jahren war der Ring ein Ort zum Verweilen und Flanieren – ein richtiger Promenadenring – mit Bäumen und Platz für Menschen. Heute ist es hier laut und es stinkt nach Abgasen.
Viele Menschen wissen und merken, dass das nicht richtig sein kann und es höchste Zeitfür Veränderungen ist. Es ist höchste Zeit, Leipzig so zu gestalten, dass es Spaß macht, sich zu bewegen – zu Fuß, auf dem Fahrrad, mit Bus und Bahn.
Mit Wohlwollen beobachten wir die ersten Schritte auf dem Weg zu einer Verkehrswende in unserer Stadt: Leipzig gehört beispielsweise zu den Initiatoren der Tempo 30-Initiative. Und auf einem – noch viel zu kurzen, und leider auch nicht durchgängigen – Teilstück des Promenadenrings werden dieser Tage Autospuren in Radspuren umgewidmet. Doch das kann nur der Anfang sein.
Denn nach wie vor enden in Leipzig Radwege direkt vor Kreuzungen, werden Radfahrerinnen und Radfahrer beim Abbiegen überfahren, sind Radfahrstreifen nicht baulich vom Autoverkehr getrennt.
Nach wie vor werden Fuß- und Radwege wie selbstverständlich zugeparkt und das Ordnungsamt schaut weg.
Nach wie vor kostet eine Tageskarte für Bus und Bahn mehr als ein Parkschein.
Nach wie vor erhalten ÖPNV, Fuß- und Radverkehr zu wenig Fläche gemessen an der Transportleistung.
Nach wie vor werden die (durchaus vorhandenen) Pläne für nachhaltige Mobilität nur schleppend umgesetzt.
Kein autofreier Sonntag und keine Gehzeugparade 2022
Gern hätten wir deswegen auch 2022 erneut ein Zeichen für eine gerechtere Mobilität in unserer Stadt gesetzt. Wir standen bereits in den Startlöchern für eine Gehzeugparade 2.0. Doch die Stadt Leipzig wird 2022 keinen autofreien Sonntag durchführen (Quelle: Ratsinformation Stadt Leipzig).
In Paris ist die Innenstadt einmal pro Monat autofrei. Menschen spazieren und radeln mitten auf den Champs Elysées. Und „Klein-Paris“ schafft es 2022 nicht, einen einzigen Sonntag lang eine einzige Straße, den Promenadenring, für Menschen statt für Autos zu öffnen.
Ohne den autofreien Sonntag können die Leipzigerinnen und Leipziger – große, kleine, junge, alte – nicht auf dem Promenadenring Inline Skates fahren, spazieren gehen, tanzen oder joggen. Sie können nicht die Erfahrung machen, dass Verkehr gerechter, günstiger, leiser, gesünder und klimafreundlicher sein kann, als das, was sie tagtäglich erleben.
Dank an engagierte Stadträt:innen und Mitarbeiter:innen in der Verwaltung
In unserer Dankesrede betonten wir die wichtige Rolle des Leipziger Stadtrates als eine der treibenden Kräfte für die Verkehrswende in Leipzig. Er hatte mit seinen Beschlüssen dafür gesorgt, dass die Europäische Mobilitätswoche und der autofreie Sonntag 2021 überhaupt stattfinden konnten. Einzelne Mitarbeiter:innen in der Stadtverwaltung, die die Idee der EMW befürworteten, hatten dann – ohne ausreichende interne Unterstützung – die Organisation der EMW und des autofreien Sonntags ermöglicht. Ihnen galt unser besonderer Dank.
Bestätigung und Ansporn
Wir geben uns mit dem Status Quo nicht zufrieden und werden weiter kreativen Druck ausüben, um Leipzig lebenswerter zu machen. Die Auszeichnung ist für uns Bestätigung und Ansporn zugleich.