Am 21. November 2024 hatte der Stadtrat mit Stimmen von AfD, BSW und CDU beschlossen, den Abschnitt stadtauswärts trotz zukünftig breiterer Trasse für breitere Straßenbahnen zweispurig zu gestalten. Das ist Festhalten an der Vergangenheit einer autogerechten Stadt anstelle eines Wandels hin zu einer zukunftsfähigen Stadt mit besserem Fuß- und Radverkehr. Seitdem gibt es Diskussionen. Im Kern drehen sie sich um die Verteilung des Straßenraums und damit den Erhalt der Privilegien des motorisierten Individualverkehrs.
Baumallee bleibt, Rasengleise kommen
Am Donnerstag, den 6. März lud die Stadt Leipzig zusammen mit der Leipziger Gruppe zur Bürgerinformationsveranstaltung „Modernisierung der Prager Straße im Abschnitt zwischen Tabaksmühle und Friedhofsgärtnerei“ ein.
So war es nicht verwunderlich, dass die Aula der Franz-Mehring-Schule schon eine Viertelstunde vor Beginn mit gut 250 Leuten voll war. Als Michael Jana, Leiter Mobilitäts- und Tiefbauamt (MTA) der Stadt Leipzig, die Veranstaltung 18:30 Uhr eröffnete, sammelten sich weitere Leute vor der Tür und an den Fenstern.
Gleich zu Beginn wurde klar, dass die Baumallee stehen bleibt. Was für die Erhaltung der Aufenthaltsqualität und zum Hitzeschutz notwendig ist, schien selbst in der heutigen Zeit keine Selbstverständlichkeit. Erfreulicherweise werden auch Rasengleise realisiert, um Lärm zu mindern und Flächen zu entsiegeln. Feuerwehr und Polizei sehen ohnehin keine Notwendigkeit, die Gleise mit Einsatzfahrzeugen zu befahren. Auch die LVB lehnen eine Versiegelung ab, da sonst die neuen und breiteren Straßenbahnen vom Typ NGT12+ den Abschnitt nicht nutzen könnten. Neben flankierenden Maßnahmen wie Markierung neuer Radfahrstreifen und Verkehrsberuhigung im Umfeld der Prager Straße war die Anzahl der Fahrspuren stadtauswärts Thema.
Versetzung der Mauer zum Südfriedhof wird noch geprüft
Wie vom Stadtrat beschlossen hat das MTA stadtauswärts zwei Spuren geplant. Jedoch ist der Gehweg zu schmal, um die rechtlichen Anforderungen für Fußverkehr und eine Hauptroute für den Radverkehr zu erfüllen. Die Physik lässt nicht mit sich verhandeln. Darauf hatte Thomas Dienberg, Bürgermeister und Beigeordneter für Stadtentwicklung und Bau, bereits in der Ratsversammlung hingewiesen. Daher hatte der Stadtrat das MTA beauftragt, zu prüfen, ob die Mauer am Friedhof und die Hecke am Völkerschlachtdenkmal zur Verbreiterung des Straßenquerschnitts versetzt werden können.
Da das Völkerschlachtdenkmal eines der bedeutendsten Denkmäler Europas ist, hat das MTA am 20. Dezember 2024 einen Antrag auf denkmalschutzrechtliche Genehmigung beim Amt für Bauordnung und Denkmalpflege in Leipzig eingereicht. Das Amt fordert nun weitere Unterlagen an, die das MTA bis zum 14. März 2025 nachreichen möchte. Aufgrund der Bedeutung des Denkmals dürfte auch das Landesamt für Denkmalpflege Sachsen in die Entscheidung involviert sein. Einen Bescheid erwartet das MTA bis 9. Mai 2025. Danach soll es eine weitere Bürgerinformationsveranstaltung geben.
Schon jetzt hat die Stiftung Völkerschlachtdenkmal Leipzig den Eingriff in ihr Grundstück abgelehnt. Damit wäre die vorhandene Breite für einen regelkonformen getrennten Geh- und Radweg zu schmal.
Bäume schützen, Denkmal erhalten, Fuß- und Radverkehr stärken
Selbst für eine Minimallösung, bei der Fuß- und Radverkehr gemeinsam über den Gehweg geführt würden, müsste der Gehweg verbreitert werden. Auch dafür müsste die Hecke versetzt, die Böschung abgetragen und die Friedhofsmauer versetzt werden. Gut ist, dass die Linden zwischen Fahrbahnrand und Gehweg erhalten werden. Sie sorgen u. a. für sommerlichen Hitzeschutz und reinigen die Luft, haben aber schon jetzt nur zum Gehweg hin Wurzelraum. Mit einer Verbreiterung des Gehwegs und dem Abtragen der Böschung würde dieser verkleinert werden, was die Bäume anfälliger für Trockenheitsstress und Krankheiten macht. Hinzu kommt, dass die Arbeiten für Versatz von Hecke und Friedhofsmauer zusätzlich finanziert, ausgeschrieben und beauftragt werden müssten. Ein denkbar schlechter Kompromiss für Denkmal, Natur, Fußgänger und Radfahrer.
Radwegführung vor Südfriedhof unklar, RVEP wird nicht eingehalten
Die Zwei- bzw. Vierspurigkeit stellt die Planer auch im Bereich des Südfriedhofs vor Herausforderungen. So soll die Querung im Eingangs- und Haltestellenbereich für Fußgänger attraktiver und sicherer werden. Doch auch dafür ist wegen der Vierspurigkeit kein Platz. So benennen die Planer die Radwegeführung vor dem Friedhof als Problem, das nicht gelöst ist.
Der Geh-/Radweg stadteinwärts entspricht zwar geltenden Vorschriften, jedoch benennen die Planer auch hier den Nachteil, dass keine zusätzliche Entsiegelung möglich ist. Insgesamt entsprechen beide Radwege sowohl am Friedhof als auch auf dem Abschnitt zur Tabaksmühle nicht dem Radverkehrsentwicklungsplan (RVEP).
Stadt wird selbst gesteckte Ziele verfehlen
Mit dem am 7. April beginnenden Umbau der Prager Straße wird die Stadt ihre selbst gesteckten Ziele verfehlen. Der Stadtrat muss sich fragen lassen, wofür Strategien verabschiedet werden, wenn diese nicht umgesetzt werden. Der Umbau schlägt mit 12,3 Millionen Euro zu Buche, wobei die Wasserwerke 0,8 Millionen Euro aufbringen, die Stadt 4,5 Millionen Euro und die LVB 7 Millionen Euro.
Letztendlich sind die Denkmalschutzbehörden das Zünglein an der Waage. Sollte kein gemeinsamer Geh-/Radweg gebaut werden können, muss der Radverkehr auf die Fahrbahn. Dafür ist die Anordnung eines Radwegs notwendig. Sollte dieser nicht angeordnet werden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis Klage eingereicht wird und sich Gerichte mit der Frage auseinandersetzen müssen.