Stand der Verkehrswende in Leipzig 2024: Rückblick und Ausblick

Stand der Verkehrswende in Leipzig 2024: Rückblick und Ausblick

Im Dezember 2024 gibt es unsere Initiative seit ziemlich genau fünf Jahren. Zeit für einen Rückblick und Ausblick. Was läuft gut, wo klemmt es, was sind die großen Linien und die kleinen, ermutigenden Projekte? Wir haben es zusammengetragen.

Die Entwicklung Leipzigs in den vergangenen Jahren beim Verkehr

Die Stadt Leipzig hat mit der Mobilitätsstrategie 2030 einen wichtigen Schritt in Richtung nachhaltiger Verkehrsentwicklung unternommen. Wir sehen allerdings noch erheblichen Verbesserungsbedarf bei der Realisierung der 2018 von der Leipziger Ratsversammlung einstimmig beschlossenen Mobilitätsstrategie. Die Umsetzung von Maßnahmen zur Förderung des Umweltverbunds – also des Fuß-, Rad- und öffentlichen Nahverkehrs – durch die Verwaltung verläuft zu langsam. Es wurden in den letzten Jahren aufgrund der langwierigen Planungsphasen noch zu viele Baumaßnahmen umgesetzt, die nicht den selbst gesteckten Zielen der Mobilitätsstrategie entsprachen, so zum Beispiel am Adler oder in der Gorkistraße.

Wir erkennen an, dass zunehmend Entwürfe vorgelegt werden, die dem Leitbild einer flächengerechten Verkehrsplanung folgen. Sobald es in die konkrete Umsetzung geht, mangelt es jedoch am politischen Willen, den öffentlichen Raum konsequent zugunsten umweltfreundlicher Verkehrsmittel neu und für die Mobilitätsbedürfnisse aller Menschen gerecht aufzuteilen. Aktuelles Beispiel ist die sachfremde Diskussion über die Planung der Prager Straße im Stadtrat im November.

Dabei zeigen bereits umgesetzte Maßnahmen, dass der Weg für Leipzig richtig und wichtig ist: Die Radfahrstreifen entlang der äußeren Jahnallee oder dem nördlichen Innenstadtring haben sich bewährt, der Gehweg an der Zeppelinbrücke bleibt auch nach der Sanierung denjenigen Vorbehalten, die zu Fuß unterwegs sind und der Kfz-Verkehr vor dem Hauptbahnhof ist nicht zusammengebrochen, dies haben Fachleute bei der Planung im Mobilitäts- und Tiefbauamt im Vorfeld sichergestellt.

Wo muss die Stadt ihre Hausaufgaben noch machen?

Wir fordern, dass die Stadt schneller und mehr in den Ausbau sicherer und durchgängiger Radverkehrsinfrastrukturen investiert und dies von der Politik auf allen Ebenen mitgetragen wird.

Es besteht Nachholbedarf bei der Verbesserung des Fußwegenetzes. Zudem sollten Projekte wie die Einführung von Superblocks vorangetrieben und die mit der Novellierung der StVO eröffneten Handlungsspielräume zur Reduzierung der Geschwindigkeit auf 30 km/h ausgeschöpft werden, um den innerstädtischen Verkehr zu beruhigen und die Lebensqualität zu erhöhen. Darüber hinaus ist eine frühzeitige und transparente Kommunikation und Bürgerbeteiligung bei Verkehrsprojekten essenziell, um Akzeptanz zu schaffen und die Bedürfnisse aller Menschen in Leipzig zu berücksichtigen.

Die Entwicklung beim Radverkehr

Wir fordern, dass die Stadt schneller und mehr in den Ausbau sicherer und durchgängiger Radverkehrsinfrastrukturen investiert und dies von der Politik auf allen Ebenen mitgetragen wird. Der Radverkehrsentwicklungsplan 2010-2020 wurde in weiten Teilen nicht umgesetzt. Einzelmaßnahmen wurden erheblich verspätet realisiert oder lassen noch immer auf sich warten. In der Theresienstraße existieren beispielsweise noch immer viel zu schmale Radfahrstreifen, die in dieser Form gemäß der aktuell gültigen rechtlichen und technischen Regelwerke nicht mehr angeordnet würden. Trotz des Oberverwaltungsgerichtsurteils aus dem Jahre 2018, der das Radfahrverbot auf dem Leipziger Innenstadtring für rechtswidrig erklärt hat, gibt es dort noch immer Abschnitte ohne Radverkehrsanlagen.

Der im Mai dieses Jahres beschlossene Radverkehrsentwicklungsplan 2030+ bleibt zu unverbindlich. Ein Radwegenetz, dass Menschen aller Altersklassen und unabhängig von ökonomische Status oder Behinderung eine bequeme und sichere Mobilität ermöglicht, ist auch mit dem neuen Radverkehrsentwicklungsplan nicht in Sicht. Das Amt für Stadtgrün und Gewässer blockiert die Asphaltierung wichtiger Radrouten für den Pendel- und Freizeitverkehr wie auf der Neuen Linie oder auf dem Elsterradweg. Die Leipzigerinnen und Leipziger wollen mit dem Rad im gesamten Stadtgebiet mobil sein – trotz der unzureichenden Infrastruktur. Das zeigen die kontinuierlich steigenden Zahlen der städtischen Zählstellen und anderer Verkehrserhebungen.

Wie gut ist Leipzig aufgestellt beim Thema ÖPNV und Fußwegenetz?

Wir begrüßen, dass die LVB mit dem „Liniennetz der Zukunft“ ihr Angebot mit verstärkter Taktung, längeren Betriebszeiten, neuen Linien und Haltestellen sowie der Ausweitung der Flexa-Gebiete am Stadtrand in diesem und den kommenden Jahren stufenweise um knapp 20 % erweitert. Die neue Buslinie 71 (Anger-Crottendorf) ist mit bisher 130.000 Fahrgästen seit dem Start Ende Februar 2024 ein voller Erfolg und übertrifft deutlich die Erwartungen der Verkehrsbetriebe (100.000 bis 150.000 Fahrgäste). Die Realisierung der Quartierbuslinie, die bereits 2022 im Rahmen der Europäischen Mobilitätswoche im Testbetrieb angeboten wurde, ist ein ermutigendes Beispiel, dass es bürgerschaftliches Engagement für nachhaltige Mobilität und eine lebenswerte Nachbarschaft braucht, damit Dinge vorangehen.

Mit Sorge haben wir die Diskussion um den Umbau der Prager Straße im Wahlkampf und im Stadtrat verfolgt. Trotz der unsachlichen und ideologischen Debattenbeiträge seitens CDU, AfD und BSW bis hin zur FDP konnte glücklicherweise der Bau- und Finanzierungsbeschluss im Grundsatz nicht verhindert werden, die fehlende Aufweitung der Gleise nun umzusetzen und damit die letzte Lücke auf der Linie 15 zu schließen. Ein Stopp der Planung hätte den Einsatz der neuen XXL-Straßenbahnen gefährdet und die Rückzahlung von Fördermitteln in Millionenhöhe verursacht.

Der für Ende 2024 angekündigte Fußverkehrsentwicklungsplan lässt zwar immer noch auf sich warten, das Mobilitäts- und Tiefbauamt hat in der Zwischenzeit jedoch mehrere Programme u. a. für Zebrastreifen, Gehwegsanierung und Lückenschlüsse sowie das Stadtplatzprogramm initiiert, um gezielt Verbesserungen vorzunehmen. Besonders hervorzuheben sind beispielsweise die Zebrastreifen in der Windorfer Straße, der Umbau zur verkehrsberuhigten Zone in der Stünzer Straße, die Gehwegvorstreckungen vor der Kita in der Möckernschen Straße oder im kommenden Jahr die geplante Teilsperrung für den Kfz-Verkehr direkt vor der Wilhelm-Wander-Schule für mehr Schulwegsicherheit. Viele Maßnahmen sind noch in der Planungsphase oder werden erst schrittweise über die nächsten Jahre umgesetzt. Eine Verbesserung des Fußwegenetzes wird eine Mehrgenerationenaufgabe sein, nachdem die Infrastruktur für den Fußverkehr jahrzehntelang vernachlässigt wurde.

Das Engagement für die Förderung des Fußverkehrs, welches wir im Baudezernat zunehmend wahrnehmen, lässt das Ordnungsdezernat jedoch noch vermissen. Für das stadtweite Problem des regelwidrigen Gehweg- und Kreuzungsparkens sind die Außendienstmitarbeitenden des Ordnungsamtes noch immer nicht ausreichend sensibilisiert. Die Kontrolltätigkeiten müssen intensiviert und der dem Amt rechtlich zur Verfügung stehende Ermessensspielraum angewendet werden. Verkehrsbehinderungen auf Geh- und Radwegen müssen konsequent durch Abschleppen beseitigt werden. Immerhin zeigt die Arbeit der AG Schmale Straßen erste deutlich sichtbare Erfolge. Die Markierung von Parkstreifen und die Anbringung von Haltverboten zur Klarstellung, wie in den Straßen das Auto abgestellt werden darf, haben vielerorts das Chaos auf den Gehwegen beseitigt und stellen nun zumindest hier das Durchkommen von Entsorgungs- und Rettungsfahrzeugen sicher.

Wie sieht der Verkehr der Zukunft in Städten von Leipzigs Größe aus?

Zukünftig sollte der Fokus auf einer nachhaltigen und integrierten Mobilität liegen, die den Umweltverbund stärkt und den motorisierten Individualverkehr reduziert, so wie dies auch in der Mobilitätsstrategie bereits verabschiedet wurde. Die Stadtplanung sollte dem Leitbild „Stadt der kurzen Wege“ („15-Minuten-Stadt“) folgen.

Was müsste sich dahingehend in Leipzig verändern?

Eine wachsende Stadt wie Leipzig kann sich das Beharren auf dem Status Quo einer autogerechten Stadt nicht leisten. Eine zukunftsfähige und lebenswerte Stadt funktioniert nur mit einer nachhaltigen Verkehrsplanung auf den Erkenntnissen der Wissenschaft und der Expertise von Fachleuten. Einst bestand im Rathaus mit dem Beschluss der Mobilitätsstrategie 2030 Konsens, den Umweltverbund zu stärken und damit den Anteil der Wege per motorisierten Individualverkehr um über ein Fünftel auf 30 % zu senken. Lediglich ein Viertel der Bevölkerung ist ausschließlich mit dem Pkw in Leipzig unterwegs. Fast 40 % der Haushalte besitzen kein Auto. Die Kommunalpolitik muss daher zurück zu einem sachlichen Austausch mit Verwaltung und Öffentlichkeit finden. CDU, AfD und BSW müssen ihre kompromisslose Blockadehaltung beenden. Keine Partei darf die große Mehrheit der Menschen in dieser Stadt ignorieren, die ausschließlich oder einen Teil ihrer Wege zu Fuß, mit Rad und ÖPNV zurücklegen.

IHK und Handwerkskammer, die sich regelmäßig mit zweifelhaften Argumenten gegen den nicht-motorisierten Verkehr aussprechen, müssen begreifen, dass von einer Stärkung des Umweltverbundes auch die Wirtschaft profitiert. Lieferverkehr, der zunehmend mit E-Cargo-Bikes abgewickelt wird, ist auf eine gut ausgebaute Radinfrastruktur angewiesen. Handwerksunternehmen und Pflegedienste benötigen ein Parkraumanagement, welches ihre Bedürfnisse bevorzugt. In zwei Jahren werden über die Prager Straße und zum Messegelände die in Sachsen hergestellten XXL-Bahnen fahren. Wenn die Anstrengungen der Stadt, den individuellen Autoverkehr zu reduzieren, nicht umgesetzt werden, wird der Wirtschaftsverkehr im Stau stecken bleiben. Die Maßnahmen für Fuß- und Radverkehr sowie die Förderung des ÖPNV sind kein Selbstzweck, sondern entlasten den Straßenverkehr.

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